In eisigen Höhen

Georgien •

Ein Paket mit Isomatten für die Büssli-Fenster wartet in Tiflis auf uns, und so zieht es uns noch ein zweites Mal in die Hauptstadt Georgiens. Dieses Mal verweilen wir länger, um die Stadt besser kennenzulernen und Diverses zu erledigen.

Unter anderem benötigen wir Benzinkanister, um mehr Diesel mitführen zu können, was in Ländern Zentralasiens mit teils schlechter Dieselqualität von Vorteil ist. Zuversichtlich steuern wir zunächst einen Baumarkt an, wo wir lernen, dass wir einen “Canistre” suchen, aber auch, dass sie keine solchen verkaufen. Darauf versuchen wir unser Glück bei verschiedenen Autoteile-Shops, und landen am Schluss auf dem Handwerker-Bazar. Auf dem riesigen Gelände fragen wir uns von Stand zu Stand durch, um nach etwa einer Stunde endlich fündig zu werden. Die Auswahl ist beschränkt, und so kaufen wir zwei 20L Kanister; einen aus Aluminium und einen aus Stahl. Ob diese ebenbürtig sind, wird sich in ein paar Wochen zeigen. Nach etlichen weiteren Besorgungen quartieren wir uns am Abend müde, aber zufrieden im Fabrika Hostel ein, welches uns bereits beim letzten Mal überzeugt hat.

Tags darauf versammeln wir uns mit etwa zwei Dutzend weiteren Personen beim Liberty Square, um die Stadt bei einer spannenden Free Walking Tour zu erkunden. Die Geschichte von Tiflis geht bis ins 4. Jahrhundert zurück, als sie von den Persier gegründet wurde. Den Namen verdankt Tiflis (“warme Quelle”) ihren bis zu 46°C heissen Schwefelwasser Quellen. Nicht zuletzt aufgrund ihrer geografischen Lage wurde die Stadt etliche Male durch verschiedene Reiche eingenommen, zerstört und insgesamt 27 Mal von Grund auf wieder aufgebaut.

Bald finden wir uns in einem Labyrinth verwinkelter Gässchen wieder, deren Struktur bei jedem Neuaufbau der Stadt beibehalten wurde und so einen Einblick in das ursprüngliche Tiflis erlauben. Charakteristisch waren die vielen Treppen und Brücken, welche die Häuser miteinander verbanden. Diese erlaubten den Bewohnern vor Feinden zu fliehen, ohne dafür die Strassen zu benutzen. Heute sind nur noch wenige davon übrig, da bei der letzten Belagerung durch Russland viele davon vernichtet wurden. Als Abschluss der Stadtbesichtigung und zur Feier unseres einjährigen Jubiläums besuchen wir das Chreli Abano Schwefelbad. Eine Stunde lang gehört ein kleines Abteil inklusive Schwefelwasser-Pool uns. Dazu gehört ein viertelstündiger “Rub”, wobei mit einem speziellen Handschuh die Haut abgerieben wird. Danach fühlt man sich 30 Jahre zurückversetzt in seine Babyhaut.

Nach drei heissen Tagen in Tiflis zieht es uns weiter ins Bergmassiv, das Georgien von Russland trennt: den Kaukasus. Unsere Bergabenteuer starten wir mit einem Tandem-Gleitschirmflug über die vordersten Gipfel. Für ein Hike&Fly Feeling wandern wir hoch und treffen unsere Tandempiloten erst oben bei der Bergstation. Leider ist das Wetter etwas durchzogen, wodurch der Flug kürzer wurde als geplant. Nichtsdestotrotz ein fulminantes Erlebnis!

Auf der Wetter-App meteoblue erblicken wir ein günstiges Wetterfenster zur Besteigung des Kazbek (5’054 müM). So machen wir uns gleich tags darauf auf den Weg mit einem voll gepackten Rucksack, in dem sich Platz für die Hochtourenausrüstung, Zelt, Schlafsack, Kocher und Essen für 4 Tage findet. Beim Zustieg am ersten Tag passieren wir eine sehr gemütliche Hütte, die nicht nur wegen der vielen Schweizer Plakate (Jungfrau, Rigi, Matterhorn, …) an eine SAC Hütte erinnert; es stellt sich heraus, dass diese von einem schweizer Holzbau-Unternehmen eigenhändig gebaut wurde.

Da diese Hütte jedoch zu weit unten liegt, ist eine Übernachtung im Zelt näher am Gipfel unerlässlich. Müde errichten wir am ersten Abend unser “Basislager” auf 3’850 müM. Den zweiten Tag nutzen wir zur Akklimatisierung und steigen bis auf 4’400 müM auf. Da wir bereits wieder am Mittag zurück bei unserem Basislager sind, haben wir Nachmittags Zeit für Repetition: Spaltenrettung & der doppelte Flaschenzug stehen auf dem Programm. Kurz darauf kochen wir unser Abendessen, damit wir um 18:00 Uhr in den Schlafsack kriechen können. Erstaunlicherweise schlafen wir bald ein, und wachen doch ziemlich erholt mit dem Wecker um 02:00 auf.

Um 02:45 Uhr machen wir uns mit Stirnlampen auf den Weg und überholen in gefühlt gemächlichem Tempo bereits vor dem Gletscher 3 Seilschaften. Wir fühlen uns beide ziemlich fit, finden den Weg auch im Dunkeln ziemlich problemlos und sind bei Sonnenaufgang kurz vor dem Gipfel. Der letzte Teil ist denn auch die “Schlüsselstelle” der Tour; ein ca. 40 Grad steiles Eisfeld gilt es zu überwinden. Ohne perfekt ins Eis geschlagene Spur wäre dies eine ziemlich interessante Stelle geworden mit leichter Eiskletterei in ca. 2 Seillängen. Aber so steigen wir gemächlich Schritt für Schritt in der Spur die letzten Meter hoch zu unserem höchsten bisher bestiegenen Gipfel. Dank unserer Geschwindigkeit haben wir den Gipfel einige Zeit für uns alleine. Wir könnten die unglaubliche Rundumsicht noch viel länger geniessen, steigen dann aber aufgrund der Kälte wieder ab. Um 11:00 sind wir zurück beim Zelt, und entscheiden uns bereits heute - einen Tag früher als geplant - ins Dorf abzusteigen. Während des langen Abstieges freuen wir uns auf das bequeme Bett im Büssli - und schlafen dann glatt 12 Stunden durch.